3. 3. (klang)veraenderungen seit 1980
Gesellschaft und kultur sind stetig in bewegung und eine veraenderung teil jeder gegenwart.
Nach dem tod franco evangelisti’s (1980) trat eine sowohl technische als auch kulturelle veraenderung ein, die zu seinen lebzeiten noch schwer einschaetzbar schien. Ich moechte in diesem kapitel auf einige veraenderungen bezug nehmen, die evangelisti zum teil erwaehnte, befuerchtete oder auch nicht sehen konnte, die jedoch unsere kultur mittlerweile massgebend bestimmen.
Eine massgebende veraenderung stellt wohl die „allgegenwaertige“ praesenz der musik dar. Verbunden mit neuen medien, dem „fortschreitenden“ wohlstand und der vermarktung, ist „verkaufbare“ musik ein grosser wirtschaftsfaktor. Diese punkte waren um 1980 natuerlich auch schon existent, jedoch nicht in dieser auspraegung, form, aggressivitaet und vehemenz.
Die zeitgenoessische musik erlebte, um 1980, gerade „die bluete“ der minimal music (rund um steve reich), komponisten wie lachenmann, ligeti und boulez werden gefeiert. Es kamen die ersten synthie-band’s in die pop-musik und die „hardrock“ gruppen gerieten langsam in’s „out“. Tontraeger waren hauptsaechlich schallplatten (vinyl) und tape-cassetten. Der trend der sechziger, dass sich „band’s“ gruenden um „famous and rich“ zu werden, setzt sich fort. In der elektronischen musik stellt pierŽ henry seine „apocalipse“ fertig. Die „werbemaschinerie“, ist vergleichsweise zu heute, mild und erst im entstehen (zumindest was das fernsehen betrifft).
Elektronisches equipment wird erschwinglich und der elektropop („kraftwerk“) wird zum erstenmal populaer. Der computer ist noch extrem teuer und nur an universitaeten, forschungseinrichtungen, militaer und anderen „potenten“ orten zu finden. Mit ende der 80er kommt es zu einer neuen „vermarktungstaktik“. Es wird „entdeckt“, dass die musikalische hauptkundschaft nicht der „30-40 jaehrige“ darstellt, sondern am meisten neues potenzial in der altersschicht unter 18 jahren liegt. Erste tv-musiksender werden populaer, sie „pushen“ ihre bands und interpreten. Grosse labelkonzerne bestimmen den markt und konstruieren ihre produkte. Das „bandprinzip“ setzt sich definitiv in mitteleuropa durch (auch in der entsprechenden infrastruktur -> radio und fernsehen). Die musik wird als reine ware gehandelt, „um so besser der verkauf, desto besser die musik“. Natuerlich gab es all dies schon vorher, aber nicht dermassen perfekt, konzentriert und unausweichlich.
Mitte der 90er wird der computer erschwinglich, cd’s (compact disc) haben schallplatte und kassetten abgeloest. Das digitale medium wird institutionalisiert, das „world wide web“ beginnt seine bewaehrungsprobe, kommunikation und information wird permanent und an fast jedem ort moeglich.
Preisdumping fuehrt zu einer rasanten verbreitung, von laptops und computern, einhergehend mit der herstellung diverser software. Diese entwicklung fuehrte in der elektronischen musik zu einer relativ
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„guenstigen“ zugangsmoeglichkeit. So ist die digitale welt und der computer zu einem „selbstverstaendlichen“ mittel fuer musiker geworden, die in verschiedensten anwendungen ihren ausdruck findet. Nach einem kurzen „zwischentief“, ende der achtziger, wird die „gitarrenmusik“ wieder zu einem zentralen ausdrucksmittel der jugend. Der „hip-hop“ fuegt sich dem hinzu und „techno“ (und alle folgeentwicklungen) werden „neue“ formen von musik, die grosse verbreitung und anhaengerschaft erfahren. Es entwickelte sich jedoch nicht nur die technisch elektronische welt weiter, sondern auch die technisch instrumentale fertigkeit hat an qualitaet, wie immer im verlauf der zeit, sich enorm gesteigert. Die frueher oft da gewesene huerde fuer instrumental musiker, die zeitgenoessische musik, ist heute nicht mehr so gross und teil ihrer ausbildung, was frueher keine selbstverstaendlichkeit darstellte.
Der tiefe einschnitt durch den allgemeinen technischen fortschritt, der letzten fuenfundzwanzig jahre, ist jedoch unuebersehbar. Mit welcher konsequenz und auswirkung laesst sich jedoch oberflaechlich kaum ergruenden, vor allem ist dieser prozess noch nicht abgeschlossen und schwer absehbar, wird es auch nie sein. Zu einer bewussteren wahrnehmung neuer klangwelten scheint mir diese entwicklung nicht zutraeglich gewesen zu sein. Hier nur die verantwortung bei den medien zu suchen, ist wahrscheinlich genauso unbeholfen, wie die ursache am desinteresse der gesellschaft fest zu machen. Tatsache bleibt jedoch, die vermarktung von musik, insbesonders populaerer musik, hat eine grenze erreicht, naemlich kleinkinder. Diese schwelle wird nicht unterboten werden koennen, zumindest solange embryonen nicht ihr beduerfnis nach „schnipp-schnapp-schnippi“ ausdruck verleihen koennen. Speziell fuer kinder ab fuenf jahren aufwaerts, werden figuren, idole und ideale „gezuechtet“, die ihnen eine „heile“, „harmonische“ welt vorgaukeln. Sie geht so weit, dass kinder in juengstem alter zu „popstars“ erzogen werden. In dieser form und vermarktung mag die welt der achtziger als „fossil“ und zahm erscheinen, die folge dieser entwicklung laesst sich jedoch nicht vorrausdenken. Die annahme liegt jedoch nahe, dass das interesse an weniger unterhaltsamer musik nicht zunehmen wird.
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